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Klinikum Fürstenfeldbruck

„Sind Sie von der Kriminalpolizei?“

Nach 32 Jahren am Klinikum hat Pflegedirektor Wilhelm Huber seinen Ruhestand angetreten. Mit uns blickt er zurück auf ein abwechslungsreiches Berufsleben in der Pflege.

Visavis: Herr Huber, wie sind Sie damals zur Pflege gekommen?
WH: Über Umwege – oder besser: über mein Ehrenamt. Ich war damals im Jugendrotkreuz aktiv, das hat mich zur Pflegeausbildung gebracht. Nach dem Examen war ich Zivildienstleistender im Deutschen Herzzentrum. Anschließend verbrachte ich elf Jahre im Klinikum Großhadern und absolvierte auch die Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberufe. Schließlich war ich dort stellvertretender Leiter einer Anästhesieabteilung. 1993 konnte ich die Leitung dieses Bereichs im Klinikum Fürstenfeldbruck übernehmen. Und hier bin ich geblieben.

Warum gerade Fürstenfeldbruck?
Ich komme aus Germering und kannte das Klinikum durch den Rettungsdienst natürlich schon. Es war nicht geplant, aber ich wollte etwas bewegen – und bekam die Gelegenheit: 1991 hatte man in Fürstenfeldbruck die neue Intensivstation eröffnet und als ich anfing, war gerade der Umbau des Ostflügels in vollem Gange, der auch die  Neugestaltung des Operationsbereichs umfasste, ein zentraler Schritt für die Entwicklung des Hauses. Da konnte ich mich stark einbringen – von der Raumaufteilung bis zur Ausstattung. Auch viele weitere Umbaumaßnahmen in den folgenden Jahren, etwa auf den Stationen, konnte ich eng begleiten. Deshalb kann ich wirklich sagen: Ich arbeite in „meinem“ Krankenhaus.

Wie ging es dann weiter?
2003 wurde ich Bereichsmanager für OP, Steri, Anästhesie und Kardiofunktion, später stellvertretender Pflegedirektor und 2011 dann – recht kurzfristig durch den Weggang meines Vorgängers – Pflegedirektor. Da habe ich dann erstmal alles parallel gemacht, war quasi die „eierlegende Wollmilchsau“.

Meine Tätigkeit wurde dann aber bald wesentlich durch die Pflegedienstleitungen Frau Costa und Herrn Habel unterstützt. 

Was hat Sie besonders geprägt?
Die Vielfalt. Meine Arbeit war nie Routine, es gab immer neue Herausforderungen: Personalführung, Bauprojekte, medizinische Entwicklungen. Und natürlich die zwischenmenschliche Seite, die bei unseren Arbeitsbedingungen nicht immer einfach ist. Mit den Jahren bin ich gelassener geworden. Eine Kollegin sagte früher mal: „Wenn der Willy weiße Ohren kriegt, geh weg – dann schreit er gleich.“

Was hat sich in 40 Jahren Pflege verändert?
Alles ist spezialisierter und damit auch komplizierter geworden – medizinisch, organisatorisch, personell. Früher hatten wir Rufdienste ohne Handy. Da saß man dann einfach daheim am Telefon. Heute ist alles digital, vernetzt, standardisiert. Das bringt teilweise Vorteile mit sich, oft aber auch Bürokratie. Gerade dass sich die Regelungen und Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen ständig ändern, macht uns das Leben nicht leichter. Auch der Personalmangel blieb – damals wie heute.

Gab es Innovationen, auf die Sie besonders stolz sind?
Durch die medizinischen Spezialisierungen haben sich auch die Tätigkeiten in der Pflege verändert. So haben wir schon 1996 die Ausbildung zur Operationstechnischen Assistenz (OTA) eingeführt. 2017 führten wir mit der Innerbetrieblichen Fortbildung einen selbstentwickelten Pflegekurs durch, um Quereinsteiger auszubilden. Das war ein einmaliges Projekt, sehr erfolgreich – aber personalintensiv und leider nicht nachhaltig abbildbar, auch weil die angelernten Pflegehelfer nach der heutigen Pflegepersonaluntergrenzenverordnung nicht anrechenbar sind. Das ist – wie übrigens in diversen anderen Fällen auch – sehr schade, dass die reine Berufserfahrung oft nicht zählt im Gegensatz zu formalen Abschlüssen.

Wie sehen Sie die Rolle ausländischer Pflegekräfte?
Sie sind unverzichtbar. Bereits in den 1990ern kamen viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Balkan zu uns. Später folgten Initiativen mit Ungarn und Spanien. Ab 2019 habe ich selbst in Tirana/Albanien und Pristina/Kosovo Pflegekräfte rekrutiert. Es war mir immer wichtig, sie persönlich willkommen zu heißen – viele habe ich am Flughafen abgeholt. Heute erschweren uns bürokratische Hürden die Integration. Das System ist unflexibel geworden.

Auf eine noch längere Betriebszugehörigkeit blicken diee beiden Kollegen Ante Bosnjak und Tajana Cicin-Karlov zurück, die 1990 aus Kroatien ans Klinikum kamen.

Wie wirkt sich das im Alltag aus?

Früher haben „die Neuen“ erst einmal als Pflegehelfer gearbeitet, so lange, bis wir sie als reif für den Anerkennungsprozess gehalten haben. Das hatte den Vorteil, dass sie die Sprache gut genug konnten und mit dem System vertraut waren. Die Stationsleitung hat individuell entschieden, wann sie den Vorbereitungskurs für die Anerkennung beginnen. Oft war das erst nach 2 Jahren. Inzwischen bekommt keiner mehr ein Visum, der nicht schon für einen Kurs angemeldet ist. Arbeitsbeginn ist meist der Kursbeginn, was zur absurden Situation führen kann, dass manch neue Kollegen am 31. August aus einem anderen Land bei uns einreisen und am 1. September mit dem MVV nach München zum Kurs fahren sollen. Ich finde: Man sollte den Menschen mehr Zeit geben anzukommen.

Welche Werte haben Sie bei Ihrer Arbeit geleitet?
Respekt, Vertrauen, Augenhöhe. Ich habe über die Jahre viele persönliche Beziehungen aufgebaut. Wenn mir jemand sagt: „Du begleitest mich schon mein ganzes Berufsleben“, dann bedeutet mir das sehr viel. Und ich weiß, wie viel Leistung in den Teams steckt – wenn es darum geht, die Dienste gegebenenfalls kurzfristig umzuorganisieren oder gerade auch beim Einarbeiten neuer ausländischer Kolleginnen und Kollegen. Ohne das Team geht nichts. Speziell in den Corona-Jahren mit ständig neuen Vorgaben war unser vertrauensvoller Umgang zwischen Kollegen, im Krisenstab und in der Geschäftsleitung Gold wert, damit wir die Umsetzung überhaupt stemmen konnten.

Gab es Momente, die Sie besonders bewegt haben?
Viele. Ich durfte als Zivi den ersten deutschen Herztransplantierten im Herzzentrum betreuen – das vergesse ich nie. Oder ein schwerstverletzter Patient, der sich nach dem Aufwachen bei mir bedankte, dass ich ihm zur Seite gestanden bin. Solche besonderen Momente machen Pflege aus. Und dann gibt es die Anekdoten: Als es einmal im Aufwachraum gebrannt hatte, stand ich morgens noch in Jeans und Lederjacke da, um mir ein Bild zu machen – da kam der damalige Ärztliche Direktor und fragte mich: „Sind Sie von der Kriminalpolizei?“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Pflege?
Mehr Augenmaß in der Medizin. Nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll. Wir brauchen eine neue Gesprächskultur – zwischen Ärzten, Pflege, Patienten und Angehörigen. Pflegekräfte beobachten Patienten kontinuierlich – ihre Einschätzungen sollten stärker gehört werden. Und: Berufserfahrung muss mehr zählen als formale Abschlüsse.

Welche Projekte haben Sie für den Ruhestand?
Motorradfahren (lacht). Und ich bleibe natürlich im Rettungsdienst aktiv. Vielleicht schaffe ich mir auch wieder einen Hund an. Nein, ganz ehrlich: Ich freue mich darauf, mehr Zeit für meine Familie und insbesondere meine vier Enkel zu haben. Man muss schon zugeben, dass es die Familie mit meinem Job nicht immer leicht hatte.

"Wir brauchen eine neue Gesprächskultur – zwischen Ärzten, Pflege, Patienten und Angehörigen."