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RHÖN-KLINIKUM

40 Jahre Herzmedizin in Bad Neustadt - Prof. Dr. Anno Diegeler

Vor über 40 Jahren wurde in Bad Neustadt die Herz- und Gefäß-Klinik gegründet – ein damals mutiger Schritt abseits der Uni-Kliniken. Der Erfolg spricht für sich: Seitdem wurden über 150.000 Herzoperationen durchgeführt. Heute ist die Klinik ein überregionales Kompetenzzentrum für kardiovaskuläre Medizin. Gemeinsam mit der Klinik für kardiologische Rehabilitation bildet sie eines von sieben integrierten Herzzentren in Deutschland. Maßgeblich für den Erfolg der Klinik sind ihre engagierten Mitarbeiter. Prof. Dr. Anno Diegeler berichtet im Interview über seine Arbeit.

 

INTERVIEW MIT PROF. DR. MED. ANNO DIEGELER, CHEFARZT KLINIK FÜR KARDIOCHIRURGIE AM RHÖN-KLINIKUM CAMPUS BAD NEUSTADT

Sie waren an der Uniklinik Göttingen und am renommierten Herzzentrum Leipzig. 2001 hat es Sie von der Großstadt in die ländliche Rhön verschlagen – wie kam es dazu?

Prof. Diegeler: Bereits während meines Studium habe ich mich über meine Doktorarbeit, aber auch durch meine Arbeit als studentische Hilfskraft auf der Intensivstation der Klinik für Herzchirurgie in Bonn mit dem Fachgebiet auseinandergesetzt. Mein Doktorvater wurde später mein Mentor, so dass ich ihm an die Uniklinik Göttingen gefolgt bin. Als er den Ruf an das neu gebaute Herzzentrum in Leipzig bekam, bin ich 1994 mit ihm nach Leipzig gewechselt. Leipzig war die jüngste Klinik RHÖN-Konzerns, mit einem klar definierten Anspruch, eines der führenden Herzzentren in Deutschland zu werden. Diese Aufgabe war einerseits spannend, andererseits auch sehr anstrengend. Die vielen Möglichkeiten, sich zu entwickeln, wissenschaftlich zu arbeiten, zu habilitieren und auch mit neuen Themen in der wissenschaftlichen Community herumgereicht zu werden, war aber letztlich eine Chance, die bei der Entscheidung nach Leipzig zu gehen, gar nicht abzusehen war. Aus dieser ersten Chance entwickelte sich dann die zweite Chance, d.h. selbst eine Klinik zu führen. Vor diese Frage wurde ich im Jahr 2000 gestellt und musste mich entscheiden. Leipzig ist eine spannende Stadt. Ich hatte trotz der vielen Arbeit eine Partnerin gefunden, die ich für einen so weitreichenden Schritt überzeugen musste. Bad Neustadt, seinerzeit noch ohne Autobahnanschluss, hatte eine renommierte große Klinik für Herzchirurgie. Man sagt ja, einmal im Leben kommt das große Schiff in den Hafen und man muss sich entscheiden: fährt man mit ihm mit oder bleibt man an der Kaimauer stehen. Auf eines dieser großen Schiffe war ich schon aufgesprungen, das zweite große Schiff stand im Hafen, ob ein drittes kommen würde, war ungewiss. Also bin ich an Bord gegangen. Diese Entscheidung bereue ich auch nach fast 24 Jahren nicht.

 

Die Herz- und Gefäß-Klinik Bad Neustadt wurde vor gut 40 Jahren, im Jahr 1984 gegründet. Die Spezialisierung damals lag klar auf der Herz- und Gefäßmedizin. Welchen Ruf hatte diese Spezialklinik in der Provinz als Sie vor knapp 25 Jahren als Chefarzt gekommen sind?

Prof. Diegeler: Die Klinik für Herz- und Gefäß-Medizin war schon bald nach ihrer Gründung eine der größten Kliniken in Deutschland. Was niemand für möglich gehalten hatte - dass sich außerhalb einer universitären Umgebung eine herzchirurgische Klinik in Deutschland etablieren konnte - wurde sehr schnell widerlegt. Mit einigen Innovationen, insbesondere einem klaren Konzept und einfachen, wie wirksamen Prozessen, gehörte Bad Neustadt in den 80er und 90er Jahren zu den größten Kliniken in Deutschland. Es galt also, Größe und Renommee zu halten, obwohl die Anzahl der herzchirurgischen Eingriffe in Deutschland durch die Weiterentwicklung vieler interventionellen Prozeduren im Fachbereich Kardiologie in den Folgejahren stetig etwas abnahm. Die Weiterentwicklung der Klinik und des Fachbereichs ist in den letzten 25 Jahren mit vielen innovativen operativen Techniken und Weiterentwicklungen der klaren Prozesse gelungen. Dabei hat sich das Patientengut, d.h. die Komplexität und die Schwere der Erkrankungen, für die Herzchirurgie deutlich geändert. Die Herausforderungen sind enorm, auch was die notwendigen Ressourcen an ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern für diese Aufgabe bedeutet.

Die Herzchirurgie verzeichnet seit Jahren sinkende OP-Zahlen, nachdem die Kardiologen ihr Wirkungsgebiet immer stärker ausweiten. Kommen Sie sich gegenseitig in die Quere?

Prof. Diegeler: Herzchirurgie und Kardiologie haben sich in den letzten 40 Jahren weiterentwickelt. Vor 40 Jahren benötigte jeder gute Kardiologe einen guten Herzchirurgen, damit die ihm anvertrauten Patienten zeitnah versorgt werden konnten. Durch die Weiterentwicklung und Errungenschaften der interventionellen Kardiologie, hat sich in vielen Bereichen die Kardiologie von der Herzchirurgie emanzipiert. Dies führte in vielen Fällen auch zur Konkurrenzsituationen und Spannungen bis in die persönliche Ebene des Zwischenmenschlichen. Nicht so in Bad Neustadt. Recht früh haben die verantwortlichen Leiter erkannt, dass man gemeinsam viel mehr erreichen kann, als jeder für sich alleine. Kardiochirurgie und Kardiologie sind in Bad Neustadt keine Konkurrenten. Sie sind Verfechter der Herzmedizin, ein Team mit dem gemeinsamen Ziel, dem individuellen Patienten die bestmögliche Behandlungsmethode anzubieten.

 

Was wünschen Sie sich für den Standort Bad Neustadt?

Prof. Diegeler: Bad Neustadt ist eines von sieben integrierten Herzzentren in Deutschland. Das bedeutet, dass Diagnose, Behandlung und Rehabilitation auf höchstem Niveau am selben Ort angeboten werden können. Damit sind wir „Frontrunner“ im Bereich der Herzmedizin. Dies als Exzellenzzentrum in die Zukunft fortzuschreiben bedeutet ein herausgehobenes Maß an Fokussierung, exzellente Prozesse und eine ganz enge Verflechtung der Spezialgebiete. Dies alles ist notwendig, um an der Spitze der Herzmedizin zu bleiben. Hierin liegt die Aufgabe für die medizinischen Spezialisten, die exzellent ausgebildeten Pflegefachkräfte, das medizinisch-technische Personal in der gesamten Behandlungskette für einen Patienten. All dies ist in Bad Neustadt möglich und muss konsequent weiterverfolgt und weiterentwickelt werden. Dies bedeutet strategische Weitsicht für den Standort, geschicktes kaufmännisches Management, gepaart mit Empathie für Patienten und Mitarbeiter gleichermaßen. All dies wünsche ich mir für den Standort Bad Neustadt.